Nur ein Prozent der gesammelten Daten würden tatsächlich verwendet, sagte Philipp Schmid (Head R&BD Industry 4.0 & Machine Learning, csem) in seinem Referat, das den fmpro Instandhaltungstag 2023 eröffnete. Und er lieferte einige weitere denkwürdige Zahlen nach. Zum Beispiel, dass 75 Prozent der Fehler in Anlagen früh erkannt würden, aber 80 Prozent der Fehler spät behoben werden. Die Kosten zur Fehlerbehebung steigen mit zunehmender Zeit jedoch exponentiell. «Je später man Fehler behebt, desto teurer wird es», sagte Schmid.

Hier könnte Künstliche Intelligenz (KI) unterstützen. KI treibt eine rasante Transformation der Welt voran. Dies hat auch starke Auswirkungen auf die produzierende Industrie. «KI gibt es schon lange, seit 15 Jahren reden wir davon und von Machine Learning oder Deep Learning», sagte Schmid. «Doch lange war KI eher ein Marketing-Thema. Ob sie nämlich funktioniert, hängt stark mit dem Menschen zusammen.»

Die Entwicklung schreitet nun aber immer rasanter voran. Zuerst schlug KI den Menschen im Schach, dann im deutlich komplexeren Spiel Go, seit diesem Jahr löst KI auch Captcha’s besser als der Mensch. Und auch ChatGPT ist allseits bekannt. «ChatGPT ist ebenfalls nicht ganz neu, aber es hat einen entscheidenden Schritt gemacht», sagte Philipp Schmid. «ChatGPT bedient sich am Internet, und im Internet gibt es eine Menge Müll. Erst durch den Eingriff von Menschen und ein ‘Human Labeling’ konnten qualitativ hochwertige Inhalte definiert werden. So wurde ChatGPT nützlicher.» Es lag also nicht an der KI, sondern am Menschen. «Menschen haben Kontext, das ist extrem relevant», sagte Schmid.

KI in der Instandhaltung

Für die Instandhaltung seien Zeitreihen deutlich interessanter: TimeGPT. Hier lässt sich ein Modell trainieren, das eine Anlage letztlich deutlich besser versteht als der Mensch. «Der Mensch ist schwach in der Analyse von Zeitreihen», sagte Schmid. «KI war bislang vor allem Bild-getrieben, nun kommen die Zeitreihen, und hier braucht der Mensch Unterstützung.» Philipp Schmid zeigte konkrete Anwendungen und Praxisbeispiele, die bereits in diesem Bereich erfolgreich umgesetzt wurden.

Welche Erfolgsfaktoren es für KI in der Instandhaltung braucht, fasste Schmid in fünf wesentliche Punkte zusammen: Sensoren (inklusive Wärmebilder, Fotofolgen, Akustik), Daten, Expertenwissen, Algorithmen und ein Business Case.

Checklisten App Instandhaltung bei den Verkehrsbetrieben Zürich (VBZ)

Nach diesem einleitenden Referat zur KI verschob sich der Fokus hin zu den Verkehrsbetrieben Zürich. Philipp Frech (VBZ Leiter Performance Management) und Marius Lips (VBZ Fachbearbeitung Performance Management SAP) stellten den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ihre Checklisten App Instandhaltung vor.

Rund 15'000 bis 20'000 Instandhaltungsaufträge gibt es bei der VBZ jedes Jahr. Bei Inspektionen und Abnahmen von Fahrzeugen und technischen Objekten waren bisher umfangreiche Checklisten auf Papier im Einsatz. Fehlende Auswertbarkeit, digitale Medienbrüche und fehlende Usability waren der Grund, weshalb VBZ nun eine digitale Checklistenlösung basierend auf dem SAP-Backend und einer SAP FIORI-App einführt. Die App funktioniert auf Tablets und wird in Zukunft ein Teil des digitalen Arbeitsplatzes werden.

Die praktische Anwendung konnte in der anschliessenden Führung im nahegelegenen VBZ-Tramdepot gezeigt werden. Hier arbeiten insgesamt 56 Mitarbeiter:innen: 21 Instandhalter:innen, zehn Technische Fahrzeugwarte:innen, elf Reiniger:innen und sieben Radsatzbearbeiter:innen. Sie führen Wartungen, Reparaturen, Reinigungen oder leichten Notdienst durch, zudem gibt es eine Unterflur-Dreherei und die Lehrlingsausbildung. Trams aller Generationen werden gewartet und instandgehalten – vom defekten Kleinteil bis hin zu massiven Schäden nach Tramkollisionen.

Alleine im Depot in Oerlikon werden jährlich fast 7000 Wartungen und knapp 4300 Reinigungen durchgeführt, knapp 200 Fahrwerke neu bereift und rund 1500 Achsen bearbeitet – und die Schäden von fast 600 Kollisionen repariert.

Die Teilnehmenden erhielten spannende Einblicke in die verschiedenen Bereiche des Tramdepots und durften sich anschliessend bei einem Apero vor Ort verwöhnen lassen.